Goldsuche in Südafrika
Die Buren, die Südafrika besiedelten, wollten vom Gold nichts wissen. Sie befürchteten, es könnte ein Heer von Goldsuchern ihr Land aufsuchen und es in wilder Jagd nach dem blinkenden Metall zerstören. Kurzerhand unterbanden sie durch ein Verbot jede weitere Suche. Zwei Jahre nach Karl Mauchs Ankunft in Südafrika hob Präsident Pritorius das Schürfverbot auf. Bald darauf machte man zunehmend mehr Goldfunde. Ausländische Prospektoren und Ingenieure begannen, sich allmählich zu interessieren. Man fand den goldreichen Konglomeratflöz am Witwatersrand. Goldsucher strömten herbei und gründeten die Golden City”: Johannesburg.
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In der Zwischenzeit entwickelten Wissenschaftler raffinierte Methoden, dem tauben Gestein auch die kleinsten Mengen Gold zu entziehen. Mit Hilfe der Elektrolyse erzielte man endlich die Reindarstellung des Goldes. Hierbei wird “das Gold als Anode bei bestimmter Temperatur, Stromdichte und Konzentration des Elektrolyten der Wirkung des Stromes ausgesetzt, und zwar in salzsaurer Lösung, wobei das Gold in Lösung geht und sich an der Kathode mit einem Feingehalt von 999,8 bis 1000 abscheidet.”
Schließlich fand man die goldhaltigen Konglomerate im nordöstlichen Teil des Oranje-Freistaates. Basierten die früheren Funde mehr auf Zufall, so wurde hier das Gold wortwörtlich in der Studierstube entdeckt. Man nahm nämlich an, dass der Konglomerat-Streifen am Witwatersrand bis in den Freistaat reichen müsste. Mehrere vergebliche Bohrproben erfolgten und eine Menge Kapital wurde investiert, ehe man endlich fündig wurde. Man erhielt eine Schürfkonzession, und die Anglo-American-Corporation kaufte alle umliegenden Farmen auf. 1947 fand man endlich in 5000 Fuß Tiefe goldhaltiges Gestein. Damit war man auf die goldreichste Ader der Welt gestoßen.
Doch der Goldrausch ist zu einem nüchternen Geschäft geworden. Heute wirbt man die schwarzen Arbeiter aus dem Busch an. Ausschließlich dazu dienen die beiden Gesellschaften “Native Recruiting Corporation” und “Witwatersrand Native Labour Association”, kurz “Wenela”. Die Wenela betreibt auch die “Afric-Air”, eine Fluglinie, die eigens dazu bestimmt ist, Grubenarbeiter herbeizuschaffen. Bevorzugt wird der Eingeborene, der irgendwo in einem Dörfchen lebt, weil er fügsamer und vor allen Dingen billiger als der Städter ist. Nach Abschluss des Pauschalvertrages transportiert ihn die Gesellschaft zur Zeche, wo er in einem abgeschlossenen, modernen Lager wohnt. Sorgfältig werden seine Gesundheit und auch die Freizeit von nun an überwacht.
Trotz alledem ist das Lagerleben keine gute Sache. Es bedeutet Trennung von den Familien, Frauen und Kindern. Ausreißer kommen kurzerhand ins Gefängnis. Dennoch ertragen viele die schwere, bittere Arbeit, denn für sie sind die Goldminen die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. Zuerst müssen die Neuankömmlinge eine neue Sprache erlernen, das Fanakalo. “Faka lapa lo shovel” bedeutet: “Nimm die Schaufel!” Der Wortschatz des Fanakalo umfasst ungefähr 500 Vokabeln.
Wegen der Schwerstarbeit ist eine gesunde und ausreichende Ernährung lebenswichtig, einerseits für die Minengesellschaften, andererseits für die schwarzen Kumpel. Deshalb sind die Tagesrationen reich bemessen an Vitaminen, Proteinen; jeder Kumpel erhält täglich mindestens 4000 Kalorien. Zur Überwachung des Gesundheitszustandes werden eigene Krankenhäuser unterhalten.
Es werden Minen betrieben, die bis 4000 Meter in das Erdinnere dringen. Die Temperaturen bewegen sich um 55 Grad Celsius. Eine mörderische Hitze. Um die Lunge vor dem verstopfenden Staub zu schützen, besprüht man die Gesteinsoberfläche mit Wasser. Deshalb ist die Feuchtigkeit fast unerträglich.
Das Erz wird zunächst fein gemahlen, ehe es in eine Zyanidlösung gelangt. Mittels verschiedener Prozesse fällt man das Gold der Lösung aus. Manche Minen fördern auch Uran, das ebenfalls dem Gestein entzogen wird. Anschließend wird der Brei auf einen Dump, eine Halte, gepumpt.
Wenn das Gold aus den Raffinerien kommt, beträgt sein Feingehalt rund 88 Prozent. Nochmals muss sich das Gold verschiedenster chemischer Prozesse unterziehen, dann gießt man es zu 400 Unzen in Barren, die einen Feingehalt von 99,6 Prozent haben. Materialverluste kann man sich bei dem aufwendigen Geschäft natürlich nicht leisten. Elektrostatische Ausfällgeräte entziehen selbst den Abgasen Gold. Werden Geräte nicht mehr benutzt, werden sie sorgäfltig zermahlen. Sogar die Bekleidung der Hüttenarbeiter wird einem Verfahren unterworfen. Die fertigen Barren werden in Holzkästen von der Größe der Schuhkartons verpackt, an die Südafrikanische Reservebank geliefert und anschließend in regelmäßigen Transporten über den Londoner Goldmarkt in den Welthandel gebracht.
Dachorganisation der gesamten südafrikanischen Bergbauindustrie ist die Südafrikanische Bergbaukammer (“Chamber of Mindes of South Africa”) mit Sitz in Johannesburg. Die Kammer wurde 1887 gegründete, ein Jahr nach der Entdeckung der Goldvorkommen im Gebiet von Witwatersrand. In ihr sind sechs große Minenfinanzhäuser, 43 Gold- und 38 Kohleminen sowie insgesamt 14 Diamanten-, Platin-, Antimon-, Asbest-, Mangan- und Kupferminen zusammengeschlossen. Das Aufgabengebiet der Bergbaukammer umfasst die Einstellung und Betreuung schwarzer Arbeitskräfte, sie führt die Verhandlungen mit den Gewerkschaften und Berufsgenossenschaften über Arbeitsfragen und Löhne, ist ferner zuständig für die Fort- und Weiterbildung der Minenarbeiter, deren medizinische Betreuung sowie in Fragen der Sicherheit am Arbeitsplatz. Aber auch die Verwaltung des Pensions- und Sozialleistungsfonds für die Industrie liegt in ihrer Hand.
Die “Chamber of Mines of South Africa” vertritt die Interessen der Bergbauindustrie gegenüber der südafrikanischen Regierung; zu ihren Aktivitäten zählen ebenso die Forschung und technologische Weiterentwicklung wie Verarbeitung und Marketing von Uran, Feingoldproduktion und Veredelung von anderen Metallen, Marketing des Krügerrands und die weltweite Verkaufsförderung von Schmuck und Industriegold.
Ein Teil dieser vielfältigen Aufgaben werden von Tochtergesellschaften wahrgenommen: “The Employment Bureau of Africa” (TEBA), “Nuclear Fuels Corporation of South Africa” (Nufcor), “Rand Refinery”, “International Gold Corporation” (Intergold), “Rand Mutual Assurance Company” und “Gold Mine Museum”.
“Die Chamber of Mines of South Africa” wird von einem Exekutiv-Komitee geleitet, das die Grundzüge der Tagespolitik festlegt. Diesem Komitee gehört je ein Vertreter der sechs Minenfinanzhäuser an. An seiner Spitze steht der Präsident der Chamber of Mines, der jeweils für eine Amtszeit von einem Jahr gewählt wird. Ein zwölfköpfiges Direktorium ist für die Führung der laufenden Geschäfte verantwortlich.”
Die südafrikanischen Goldbergwerke zählen zweifelsohne zu den technologisch fortschrittlichsten in der ganzen Welt. Unfälle sind, gemessen an der Gesamtzahl der einzelnen Minen und ihrer Tiefen, selten. Nicht zuletzt ist dies auf eine seit den 60er Jahren konsequent erfolgte Forschungsarbeit, insbesondere bei der Früherkennung von Gebirgsschlaggefahren und deren Bekämpfung, zurckzuführen. Auf dem zwölften Weltkongress für Bergbau und Metallurgie in Johannesburg gab der Präsident der “Chamber of Mines”, L.W.P. van den Bosch, einen Überblick ber den technischen Stand:
“Bei Planung und Zuschnitt von Goldbergwerken bedient man sich heute elektronischer Analog- oder Digitalcomputer, mit deren Hilfe die voraussichtliche Energiefreisetzung in den betreffenden Gebieten ermittelt wird. Seismische Netze, die praktisch alle Goldbergbaugebiete abdecken, dienen darüber hinaus der Lokalisierung von Zentren von Gebirgsschlägen oder seismischen Erschütterungen, und aus den gewonnenen Daten lassen sich wichtige Erkenntnisse über geologische Gegebenheiten ableiten, die zu Gebirgsschlägen führen können.”
Dank dieser Neuerungen und der verbesserten Ausbautechnik durch die Entwicklung von schnell nachgebenden Hydraulikstempeln, speziellen Bergedämmen, Rohrstempeln und stabilisierenden Pfeilerbau-Verfahren hat die Industrie das Gebirgsschlagproblem im wesentlichen unter Kontrolle.
1961, als der Weltbergbaukongress in Johannesburg stattfand, wurden die ersten Verfahren zur Akklimatisierung der Bergleute an die hohen Temperaturen in tiefen Grubenbereichen eingeführt. Dazu gehörten wiederholte Übungen in speziell konstruierten Kammern. Inzwischen lässt sich nicht nur mit Hilfe hochentwickelter Tests die Vielzahl der Menschen bestimmen, die keiner Wärmeakklimitisierung bedürfen – sowie der unterschiedliche Wärmetoleranzgrad bei anderen – es wurde auch eine Kühljacke entwickelt, die der letzteren Gruppe die Anpassung an die Temperaturverhältnisse untertage ermöglicht.
In jüngerer Zeit galt eines der wichtigsten Vorhaben der Forschungsabteilung der Chamber of Mines der Verbesserung der Bedingung untertage. Computergesteuerte Verfahren zur Bestimmung der Wärmebelastung beim Aufschluss neuer Anlagen folgte Ende der 70-er Jahre die Verwendung von abgekühltem Betriebswasser zur Kühlung tiefer Grubenbereiche. Ein weiterer Schritt war in allerjüngster Zeit die Entwicklung eines Eiskühlsystems. Der große Vorteil dieser Methode liegt darin, dass sich bei Verwendung von Eis die erforderliche Wassermenge um 75 Prozent reduziert. Angesichts dieser Entwicklung im Goldbergbau wird eine Akklimatisierung in Wärmekammern bald nicht mehr erforderlich sein.
Der südafrikanische Goldbergbau war traditionsgemäß arbeitsintensiv, da es an Maschinen fehlt, die in den engen Strossen dem außergewöhnlich harten Gestein beikommen können. Die hohen Abbaukosten bei immer größeren Tiefen, die äußerst kostspielige Stützsysteme erfordern, zwangen jedoch dazu, wirksamere Abbaumethoden zu entwickeln. So begann die Forschungsabteilung der Chamber of Mines Mitte der 60-er Jahre, an neuen Abbautechniken zu arbeiten. Beträchtliche Erfolge in der Verbesserung der gebräuchlichen Abbaumethoden wurden erzielt durch die Entwicklung von Hydraulikbohrern, die den herkömmlichen Druckluftbohrern bei weitem überlegen sind, durch die Entwicklung wirksamerer Sprengmethoden und durch die Verwendung von Druckwasserstrahlern zur Säuberung der Sprossen.
Die Einführung einer Kombination aus maschinellem Abbau und herkömmlicher Sprengarbeit bedingte die Entwicklung eines Schwingförderers, auf dem Hydraulikbohrer montiert werden können. Mit dieser Technik hofft man, ein vollmechanisiertes Abbausystem entwickeln zu können, das die manuelle Arbeit drastisch reduziert. Tests untertage haben erwiesen, dass der Prototyp der Hydraulikbohrer mehr als doppelt so schnell bohrt die herkömmliche Bohrer und weit wirtschaftlicher im Verbrauch ist.
Damit ist die Forschungs- und Entwicklungsarbeit noch keineswegs erschöpft. Bewährt haben sich beispielsweise auch das Prallbrechen beim Abbau, die Untertage-Aufbereitung und die Entwicklung eines tragbaren Gold-Analysators sowie eines Funkgerts zur Verstndigung durch den Fels in großen Tiefen.
Soweit ein Einblick in die modernste Goldminen-Technologie. Doch die unabhängige Republik Südafrika,die erst 1961 aus dem Commonwealth ausgeschieden ist und damit zu den jüngsten Staaten der Erde zählt, sorgt sich auch um seine Geschichte. Aufgrund der Vergangenheit nimmt es nicht wunder, dass besonders die Minenindustrie sich geschichtsbewusst zeigt. Ihr jüngstes Kind ist das 1980 gegründete Goldminen-Museum in Johannesburg.
Das Freilichtmuseum bietet als Hauptattraktion eine Fahrt in die Goldgrube, denn der Schacht der ältesten Johannesburger Goldmine ist gewissermaßen das Herz des Museums, um das sich Häuser und Einrichtungen aus der Gründerzeit einschließlich einer kleinen Dampfeisenbahn gruppieren.
Die “Crown Reef Gold Mining Company” wurde 1887 gegründet. Ihr Grundkapital betrug 70.000 Pfund. Das goldhaltige Erz wurde seinerzeit noch im Tagebau abgebaut, aber schon bald wurden Stollen in die Erde getrieben, bis 1968 der Betrieb wegen Unrentabilität ganz eingestellt wurde. Heute pilgern Schulklassen und Touristen durch die Stollen auf der 400-Meter-Sohle. Oder sie besuchen den museumseigenen Gold-Shop.
Vermutlich wird das Museum schon bald Konkurrenz erfahren. Denn längst sind viele Minen unrentabel geworden. Nach außen hin herrscht bei den südafrikanischen Minengesellschaften business as usual; aber hinter den glitzernden Fassaden der Bergbauzentralen in der Johannesburger City gärt es: Die Probleme, die das vorgerückte Alter vieler Minen und der gefallene Goldpreis um die Jahrtausendwende bereiten, sind keineswegs über Nacht entstanden und liegen im wahrsten Sinne des Wortes tief: Noch immer schürft Südafrika sein Gold auf den vor über 100 Jahren entdeckten Flözen und muss ständig tiefer graben, um neue Goldadern zu erschließen. So gehört es für einen Bergmann am Kap inzwischen zum Alltag, fast zwei Stunden lang in die bis zu 4000 Meter tiefen Schächte einzufahren.
Mit den größeren Tiefen ist der Goldbergbau am Kap zu einem teuren Unterfangen geworden: Qualitativ hochwertige Schichten verlaufen heute in Tiefen, in denen die Produktions- und Sicherheitskosten wegen der starken seismischen Aktivitäten und großen Hitze (bis zu 65 Grad in vier Kilometer Tiefe) erheblich höher als in anderen Förderländern sind. Beobachter befürchten deshalb auch, dass die steigenden Kosten den Abbau des verbliebenen Erzkörpers unrentabel machen.
Wachgerüttelt wurden die Unternehmen jedoch erst durch die zum Teil verheerenden Quartalsergebnise 1995. Sie veranlassten Südafrikas Minenhäuser zu den größten Reformen in der fast 120-jährigen Geschichte der Goldindustrie. Doch für einige Minen könnte die nun eingeleiteten Innovationen zu spät kommen. Durch den jüngsten Fall des Goldpreises (1997) ist die Zahl der von der Schließung bedrohten Bergwerke innerhalb weniger Monate von sieben (1996) auf 15 (1997) gestiegen. Diese 15 Minen förderten 1996 fast 40 Prozent des gesamten südafrikanischen Goldes und beschäftigtgen mit 150.000 Arbeitern fast die Hälfte der gesamten Belegschaft.
1996 waren die sechs großen Goldhäuser am Kap durch den zweitweiligen Einbruch der südafrikanischen Währung noch mit einem blauen Auge davongekommen: Der Wertverlust des Rands von fast 30 Prozent gegenüber dem Dollar hatte viele der bedrohten Bergwerke wieder renabel werden lassen. Mit der Erholung des Rands und dem gleichzeitigen Absacken des Goldpreises hat sich die Situation jedoch dramatisch gendert. Bedrückend ist dies vor allem auch deshalb, weil die Südafrikanischen Minen gehofft hatte, nach dem Gesundschrumpfen der weltweiten Wirtschaft in den späten 1980-er Jahren könne kaum noch abgespeckt werden: Fast 200.000 Jobs – ein gutes Drittel der gesamten Belegschaft – wurden zwischen 1987 und 1992 bereits abgebaut.
Bei allen Problemen sollte jedoch nicht vergessen werden, dass sich Südafrikas Goldindustrie in der Vergangenheit als überaus robust erwiesen hat. Andes als die Rivalen in Australien und Nordamerika, wo die durchschnittliche Lebensdauer der Minen zwischen zehn und 15 Jahren liegt, wird am Kap in langen Zeiträumen geplant: Viele Bergwerke sind denn auch bereit, zur Vertiefung ihrer Schächte Kapitalausgaben von mehreren Milliarden Mark zu tätigen.