Goldsuche in der Mongolei
Nach Gold wurde in der Mongolei schon seit Ende des 18. Jahrhunderts gegraben. Allerdings nicht von mongolischen Nomaden. Es waren Ausländer, Chinesen, Russen, Franzosen …, die das Land als Dorado entdeckten.
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Von Renate Bormann, Ulan-Bator (Neues Deutschland, 14.11.2006):
»Hier müssen wir irgendwo abfahren.« Joachim Stübner ist sich seiner Sache sicher, während der mongolische Fahrer allmählich unruhig wird. Von der Schotterstraße zwischen Boroo und Bornuur, in die sich tiefe Rinnen gegraben haben, führt jedenfalls kein sichtbarer Weg zum vermuteten Lager der Ninjas, der Goldgräber. Doch nach einigen vergeblichen Anläufen entdeckt Stübner tatsächlich die richtige Piste.
Durch Steppensträucher und hohes Gras sind Stimmen zu hören, ein paar Rinder und ein Pferdefuhrwerk sind zu sehen. Eine Frau nähert sich zögernd. Stübner springt aus dem Fahrzeug und winkt. Schließlich tauchen noch ein älterer und ein jüngerer Mann auf. Die Fremden – neben Stübner Hans Trentzsch und zwei mongolische Helfer – scheinen nicht gefährlich zu sein. Neugierig betrachten die Mongolen den drahtigen Weißhaarigen, der in einem Gemisch aus Mongolisch und Russisch auf sie einredet. Auf den Fotos, die er herumzeigt, erkennen sich die drei zwar nicht wieder, dafür aber Bekannte, die hier noch im vorigen Jahr mit ihnen Gold gewaschen haben. »Die machen ein paar Tage Urlaub«, sagt die Frau, und das kann auch heißen: Die kommen nicht wieder. Zu Füßen der Goldwäscher liegt eine Plastikschüssel mit feingemahlenem Erzschlamm, der mit Quecksilber verarbeitet wird …
Leben auf einem Schatzberg
Die ersten Goldgräber der Mongolei waren nicht die einheimischen Nomaden, die mit ihren Tieren auf der Suche nach ergiebigen Weiden durchs Land zogen. Für sie war allein wichtig, ob das Gras ausreichte, ihre Herden über den Winter zu bringen. Es waren Chinesen, Russen, Franzosen und andere Ausländer, die die Mongolei als Goldland entdeckten. Die Schürflizenzen erteilten damals die Beamten des mandschurisch-chinesischen Kaisers in Peking.
Die heutigen Mongolen wissen dagegen genau, dass sie auf einem Schatzberg leben, der nicht nur Gold und Kupfer, sondern auch Wolfram, Flussspat, Molybdän, Kohle, Uran und sogar Erdöl birgt. Allein die Goldvorkommen werden auf 3000 Tonnen, die Kupfermetallvorräte auf 30 Millionen und die Steinkohlereserven auf 125 Milliarden Tonnen geschätzt. Von insgesamt 6000 vermuteten Rohstofflagerstätten werden derzeit 200 genutzt. 2005 konnte die Regierung erstmals seit 1990 ein Plus von 73 Milliarden Tugrug im Staatshaushalt verkünden (ein Euro entspricht knapp 1500 Tugrug). Zu verdanken war das in erster Linie den steigenden Weltmarktpreisen für Kupfer und Gold – und dem wachsenden Interesse ausländischer Großunternehmen, im Bergbau der Mongolei zu investieren.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. In den vergangenen Jahren waren die Bergbauaktivitäten ausländischer und mongolischer Unternehmen ebenso wie die Praxis der Vergabe von Bergbaulizenzen durch die Behörden immer wieder Anlass für Auseinandersetzungen zwischen Umweltschützern, Bürgerbewegungen, örtlichen Verwaltungen, Viehhaltern auf der einen sowie Unternehmen und der Regierung auf der anderen Seite. Kritiker werfen Politikern und Beamten vor, die mongolischen Reichtümer zu verschleudern, die Interessen der Mongolei und der Mongolen zu wenig zu beachteten, ihre eigenen Taschen jedoch durch Bestechungsgelder und Spekulation mit Schürfrechten zu füllen. Die Erschließungs- und Abbauflächen wären praktisch zum Eigentum der Bergwerksgesellschaften geworden, wodurch die mongolischen Viehhalter riesige Weideflächen verloren hätten, ohne dass sie die verbesserte Infrastruktur (gut ausgestattete Schulen, Krankenstationen, Wohnungen für die Belegschaften) nutzen könnten. Ihnen blieben lediglich die durch schwere Baufahrzeuge und Bergwerkstechnik in Mitleidenschaft gezogenen Steppenpisten, Lärm, Schlamm und Staub. Schlimmer noch wirke sich das allmähliche Austrocknen der Flüsse auf das Leben der Landbevölkerung aus.
Joachim Stübner hat zwischen 1965 und 1989 an mehreren Mongolei-Expeditionen von DDR-Geologen teilgenommen. Seither reist er jedes Jahr in das zentralasiatische Land, um mongolische Freunde und ehemalige Kollegen zu treffen und »seine« Schächte zu befahren. »Auf Goldsuche in der Mongolei«, heißt ein Bild- und Textband, zu dessen Herausgebern und Autoren Stübner gehört.
Von Ulan-Bator geht es diesmal durch »Rahnsdorf« und »Michendorf« – Namen, die Berliner Kraftfahrer vor Jahren für mongolische Ansiedlungen einführten – vorbei an der ältesten Karawanserei der Mongolei, an brachliegenden Getreide- und Kartoffelfeldern, an grasenden Rindern und Yaks. Der quirlige Stübner hält den ruhigeren Hans Trentzsch ständig auf Trab: Dieses soll er filmen, jenes sich erklären lassen.
Erste Station der Reise ist »Naran Tolgoi«, der Sonnenhügel. Dort haben die mongolischen Nachfolger der deutschen Geologen längst aufgegeben. Eine chinesische Gesellschaft hat die Goldlagerstätte übernommen und gräbt mittlerweile auf der anderen Seite des Berges. Bis auf das Wachpersonal sind alle Arbeitskräfte, einschließlich des Dolmetschers, Chinesen. Die zeigen sich, womöglich überwältigt von der überschäumenden Munterkeit Stübners, durchaus auskunftsfreudig. Zur Überraschung aller benutzen sie alte DDR-Karten, auf denen oben rechts noch der Stempel »Vertrauliche Verschlusssache« prangt.
Boroo dagegen, die in den 80er Jahren mit DDR-Hilfe erkundete Goldlagerstätte, meiden Stübner und seine Begleiter. Die heutige Betreibergesellschaft, die kanadische Centerra Gold Inc. (Boroo Gold), verweigert jeden Zutritt, nachdem im Sommer mongolische Demonstranten auf das Gelände gestürmt und ein Mann ums Leben gekommen waren. Im vergangenen Jahr förderte »Boroo Gold« 13 Tonnen des Edelmetalls. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) hatten das Projekt einst als »nicht förderwürdig« eingestuft.
Mit »Boroo Gold« hat die mongolische Regierung inzwischen ein Stabilitäts- und Investitionsabkommen abgeschlossen. Diese Abkommen sollen einem novellierten Bergbaugesetz zufolge bewirken, dass die Gewinne gerechter verteilt, die Schäden für die Umwelt verringert und der mongolische Arbeitsmarkt besser geschützt werden. Doch noch immer erhitzen sich daran die Gemüter. Dem ebenfalls kanadischen Unternehmen »Ivanhoe Mines«, das über große Kupfer- und Goldlagerstätten im Mittelgobi-Aimag gebietet, wird das gewünschte Abkommen »auf Druck der Straße« bisher verweigert. In Regierung und Parlament herrscht Uneinigkeit über das weitere Vorgehen.
Derweil wird die Zahl der Ninjas, der Goldgräber ohne Lizenz, bereits auf 100 000 geschätzt. Mancherorts sind »wilde« Siedlungen entstanden, die Kriminalitätsrate ist hoch, beklagt werden Prostitution, Drogen- und Alkoholsucht. Das Schürfen in den stillgelegten Schächten ist lebensgefährlich, der durch den Einsatz giftiger Chemikalien verursachte Schaden für Mensch und Natur beträchtlich.
Zur Schar der Ninjas gehören auch der 46-jährige Batkhuu, die 45-jährige Ganbat und der 23-jährige Chuluundorj. Seit drei Jahren schürfen sie gemeinsam nach Gold, der Jüngere hütet darüber hinaus die kleine Herde der Gemeinschaft. Im Monat verdienen sie dadurch zwischen 100 000 und 150 000 Tugrug, illegal. Mit zwei Kindern leben sie zu fünft in einer Jurte unweit von Bornuur, einem Kreiszentrum rund 100 Kilometer nördlich von Ulan-Bator. Vor Jahren hatten Batkhuu und Ganbat, beide Traktoristen, Arbeit im Staatsgut von Bornuur, das von der DDR gefördert wurde und bis 1990 den Namen »Ernst Thälmann« trug. Es hielt schwarzbunte Milchrinder aus Sachsen, deren Nachkommen heute noch sehr begehrt sind, besaß eine Melkanlage für 30 Kühe und gehörte zu den Hauptversorgern der Ulan-Bators mit Milch, Kartoffeln und Gemüse.
Heute stehen von den Anlagen, den Ställen, den Wohnhäusern und dem Heizhaus nur noch Reste, das Verwaltungsgebäude ist eine Ruine mit gähnenden Tür- und Fensterhöhlen. Für alles – Glas, Holz und Möbel – fand sich Verwendung. Auf dem Hof lagern illegal geschlagene Holzstämme. Der Mensch muss schließlich von irgendetwas leben.
Im Steppenboden zwischen Boroo und Bayangol sind noch die hellen, fast kreisrunden Flecken zu sehen, die die DDR-Erkundungsbohrungen in den Jahren 1987/88 hinterlassen haben. »Bergbau für die Natur hat es nie gegeben und wird es nie geben, sagt Hans Trentzsch, der in den 70ern an der DDR-Botschaft gearbeitet hat.
Fluch oder Segen für das Land?
Ist der Rohstoffreichtum Segen oder Fluch für die Mongolei, fragt Volkmar Assmann, geboren in Freiberg bei Dresden, seit 2005 für die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in der Mongolei tätig. Eher ein Segen, antwortet er selbst, und stimmt darin mit der mongolischen Regierung überein: Der Bergbau kann als Motor der Entwicklung von der Armut zum Wohlstand dienen.
Joachim Stübner hat seine Mongoleireise für das nächste Jahr schon geplant. Auf alle Fälle will er weitere Exemplare seines Buches mitbringen. Ehemalige und jetzige Minister, alte und junge Geologen in der Mongolei, aber auch Leser im Ausland haben ihr Interesse angemeldet.