Goldsuche in Peru 1
Zwei Jahre lang hielt der Eingeborene Manuel Pacherrez Mozaurito seinen reichen Fund geheim; doch dann trank er einmal über den Durst hinaus und prahlte von seiner Entdeckung am “Rio Madre de Dios”, am Mutter-Gottes-Fluß. Dort hatte er nämlich im Sommer 1976 Wildschweine gejagt, ruhte sich am Ufer aus, aber der morsche Stamm, an den er sich gelehnt hatte, gab nach. Der damals rund Siebzigjäh rige – sein genaues Alter kannte niemand so recht – sah unter den Wurzeln etwas Funkeln und Glitzern. Soviel kapierte er sofort: Das war Gold, was da glänzte. Und Gold war gleichzusetzen mit Reichtum.
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Noch im selben Jahr nach Bekanntwerden zogen von Puerto Maldonado aus, dem Ausgangspunkt der Abenteurer am Rio Madre de Dios, 15.000 “Mineros”, wie hier die Goldsucher heißen, in die Waschgründe. Ein Jahr darauf hatte sich die Zahl schon verdoppelt. Laberinto, ein gottverlassenes Nest, nur wenige Bretterbuden stark, in dem Jäger einst Rast machten und in dem zweimal im Monat das Postboot anlegte, wuchs mit einem Schlag zu einem 3000 Mann großen Goldgräbercamp, in dem alles für den Augenblick gebaut wurde. Inmitten von Bars, Kneipen, dreckigen Spelunken und Freudenhäusern das einzige wirkliche Zentrum, sozusagen das Herz der Bretterbudenstadt: die “Banco Minero del Peru”.
Die Bank hat nämlich im Andenstaat Peru das Goldmonopol, das heißt, es ist verboten, privat Gold zu kaufen oder zu verkaufen. Hatte man 1971 der Staatsbank noch 2000 Gramm Gold angeboten, so waren es 1978 schon über 1200 Kilogramm. Die Militärregeirung in Lima erteilte erkannte rasch die Bedeutung des Goldes, nicht zuletzt auch, um die hohen Staatsschulden abzubauen, und erteilte den „Mineraos“ rasch Steuerfreiheit. Außerdem konnten sie Zuschüsse für die Anschaffung der Arbeitsgeräte beanspruchen und brauchten erst im dritten Jahr nachweisen, ob ihr Claim auch wirklich ergiebig ist.
Geologen schätzen indes, daß das Seifengoldvorkommen einen Gesamtwert von zehn Milliarden Mark hat. Schon ist man bemüht, Investoren in den Dschungel zu kriegen. Aber noch waschen die “Mineros” an den Ufern des Mutter-Gottes-Flusses mit ihren aus Zedernholz gefertigten “bateas”, durchwühlen mit Hacke und Schaufel das Geröll und befördern mit Schubkarren den goldhaltigen Schlamm zu den Schleusenkästen.
Vom Goldfieber gepackt sind an der Nordküste Perus tausende Männer und Frauen. An der Mündung des Flusses Rio Santa bei Chimbote, wo im Geröll Goldstaub entdeckt wurde, entstand innerhalb weniger Monate eine Wildweststadt mit einfachsten Hütten aus Pfählen, Schilf und Sackleinen, in denen bereits über 5000 Menschen hausen. So vermeldeten die Nachrichtenagenturen Anfang 1984.
Doch die tägliche Ausbeute der Goldschürfer sei dürftig. Wie die Regierungszeitung „La Cronica“ berichtete, waren die meisten der Glücksritter dennoch zufrieden, wenn sie in zwölfstündiger Arbeit etwa ein Gramm Goldstaub aus dem Schlamm wuschen. Dafür erhielten sie in einem Büro der staatlichen Bergbaubank umgerechnet rund 28 DM. Manche Goldwäscher brachten es in der Woche auf 12 Gramm Gold. Damit verdienten sie jedoch erheblich mehr als die breite Masse der ungelernten Arbeiter in Peru. Die Straßenkehrerinnen in Lima beispielsweise erhielten täglich nur umgerechnet 2,50 DM. Die meisten der Goldsucher sind arbeitslose Fischer aus der Küstenstadt Chimbote und kleine Bauern, die ihre kümmerlichen Äcker aufgegeben haben. Um an das Gelände des goldhaltigen Gerölls auf dem linken Ufer des Rio Santa zu gelangen, muß man allerdings zwei Sümpfe durchwaten, in denen man bis zur Hüfte einsinkt.
Nicht bloß Sonnenschein herrscht in den modernen Goldgräberrevieren. Im peruanischen Bezirk Madre de Dios wurden im August 1991 61 Geheimfriedhöfe entdeckt, in denen mehrere Dutzend Kinder begraben liegen. Die Kinder waren in den Goldwäschereien der Region als Arbeitssklaven gehalten worden, teilte die “Katholische Nachrichtenagentur” (KNA) mit. Zum Zeitpunkt ihres Todes waren die jungen “Mineros” zwischen 12 und 16 Jahre alt. Laut Angaben des Arbeitsdirektors wiesen sie sogar Schußverletzungen auf, aber auch Anzeichen für tropische Krankheiten. Auf jeden Fall sind sie unter qualvollen Umständen zu Tode gekommen. In den Goldminen der Bergregion waren zu diesem Zeitpunkt etwa zwischen 6000 und 7000 Menschen beschäftigt, die Mehrzahl jünger als 18 Jahre alt. Laut Mitteilung der “Deutschen Presse-Agentur” (DPA) seien die Jugendlichen offensichtlich entführt und später an Goldsucher versteigert worden. Sie seien von den Minenbesitzern mit Gewalt am Verlassen der Region gehindert worden.
Hilfe im Kampf gegen den Goldabbau
Deutsche Kirchengemeinden stärken Campesinos in Peru den Rücken im Kampf um ihre Lebensgrundlagen. Die Landarbeiter dort sehen sich bedroht durch die profitabelste Goldmine der Welt, die Berge abgräbt und Gewässer verschmutzt. Die internationale Hilfe hat erste Erfolge.
Am sechsten Berg kam das vorläufige Aus. Fünf Berge um Cajamarca in Peru waren dem Goldfieber schon zum Opfer gefallen, als in der Region um die 2700 Meter hoch gelegene Stadt Zehntausende auf die Straße gingen und Banken, Schulen und Geschäfte aus Protest geschlossen blieben. Was die Menschen erboste, war die Absicht der Goldmine Yanacocha, mit dem Cerro Quilish nun auch jenen Berg zu schleifen, in dem viel Gold steckt, aber auch die einzige saubere Trinkwasserquelle. Die Streiks und Sitzblockaden hatten Erfolg: In zähen Verhandlungen findet sich eine gewaltfreie Lösung. Die Mine, ein Gemeinschaftsunternehmen des US-Konzerns Newmont Corporation und der peruanischen Firma Buenaventura mit Beteiligung der Weltbank, macht Zugeständnisse, und der Staat widerruft vorerst die schon erteilte Abbaulizenz. Eine zentrale Rolle in diesem Konflikt hat die kirchliche Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Grufides gespielt, deren Kopf Marco Arana für seine Arbeit als Vermittler mit dem peruanischen Menschenrechtspreis geehrt worden ist. Der Padre steht für eine Pastoralarbeit, die sich nicht auf die Verkündung der kirchlichen Lehre beschränkt, sondern aus dem christlichen Liebesgebot die Geschwisterlichkeit ableitet und diese in Solidarität mit den Armen konkret werden lässt.
“Sie haben auf friedliche Weise für ihr Recht auf Wasser und Gesundheit in einem Land gekämpft, das sie weiterhin nicht beachtet und sie ausschließt”, gab Arana nach der Preisverleihung den Dank an die Bauern und Viehhalter weiter, die Peru nicht einmal als Staatsbürger zweiter Klasse anerkennt. Halt und Würde Solche Parteinahme für die Armen ist nicht mehr selbstverständlich in der Diözese, die bis 1992 von José Dammert geleitet worden war, jenem Bischof, der die Kirche für die Landbevölkerung geöffnet und die Campesinos in Gemeinschaften zusammengeführt hatte. Diese “Comunidades” wurden zu einer Struktur, die den Bauern Halt und Würde gibt. Hier wurden sie ausgebildet, hier sind sie Teil eines Netzes, das die Armut überwinden will. Heute steht zumindest die Spitze der Kirche wieder auf der Seite der Mächtigen, sagt der Ulmer Theologe Willi Knecht. Dieser kennt die Situation vor Ort seit mehr als 25 Jahren und hat maßgeblich Anteil daran, dass trotz des Wechsels im Bischofsamt zu Francisco Simon nicht alles zerbrochen ist, was an Sozialpastoral aufgebaut worden war. So wurde unter Simon Campesinos der Zutritt zur Kirche verwehrt, die Gemeindearbeit aber blieb intakt. Zum Beispiel in San Pedro Cajamarca. Die Pfarrei mit mehr als 40 000 Katholiken, überwiegend Indios aus ländlichen Gebieten, ist seit 1982 Partner der Ulmer Kirchengemeinde St. Georg, die Jahr für Jahr mit einem Spendenaufkommen von 30 000 bis 50 000 Euro vor allem die Basisarbeit fördert.
Herzstück des Engagements ist die Casa Urubamba, ein ehemaliges Herrschaftshaus, das in Gemeinschaftsarbeit zum Ausbildungszentrum hergerichtet wurde. Es bietet auch Platz für Kindergarten und 16 Mütterclubs, und es wird mit Beginn des Protests gegen den Goldabbau zu einem der Kristallisationspunkte der Widerstandsbewegung. Dass diese stabil genug war, um zum vorläufigen Erfolg zu führen, liegt nach Einschätzung Knechts auch an deutschen Katholiken, die Partnerschaften mit Cajamarca pflegen. Diese insgesamt 16 Kirchengemeinden haben sich als Antwort auf den Wandel zurück zur Obrigkeitskirche vernetzt und ihre Hilfe neu geordnet. So hat St. Georg in Ulm engen Kontakt zu 200 bis 300 Vertrauensleuten in San Pedro, die sicherstellen, dass 10 000 Menschen sozial und pastoral versorgt werden – an offiziellen Strukturen vorbei. Aufklärungsarbeit über die sich zuspitzende Situation in Cajamarca kommt dazu. Eine Studie der Universitäten Tübingen, Bamberg und Würzburg und der Deutschen Forschungsgesellschaft macht die Pastoralarbeit unter Bischof Dammert neu zum Thema. Als der Streit um den Goldabbau zu eskalieren droht, engagieren sich auch Hilfswerke wie Caritas, Misereor, Fian und Kolping in einer Kampagne mit dem Thema: “Bergwerk Peru: Reichtum geht, Armut bleibt”. Start war beim Katholikentag vor einem Jahr in Ulm; inzwischen ist auch die deutsche Entwicklungspolitik hellhörig geworden. Wenn Marco Arana nach seinen Terminen heute und morgen in Stuttgart und Ulm weiterreist, folgen in Berlin Gespräche mit Regierungsvertretern und Abgeordneten.
Andreas Hacker (April 2005)